Eine Glosse von Altpastor Norbert Paul

Rubrik: Reformationstag

Was für ein Kuddelmuddel

Wenn ich von meiner ersten Gemeinde Sachsenhagen zur Superintendentur oder zum Kirchenkreisamt in Rinteln fahren musste, dann fuhr ich die rund 44 km meist über die Landstraße. Und dabei passierte etwas leicht Kurioses, was ich natürlich zunächst nicht sofort bemerkte. Im Laufe der Fahrt überquerte ich mehrfach die Grenze zu Nordrhein-Westfalen und kam durch Ortschaften, die in gleich vier Landeskirchen beheimatet waren, nämlich Hannover, Schaumburg-Lippe, Westfalen und Lippe-Detmold. Wie gut, dass es spätestens seit dem 19. Jahrhundert keine Zollstationen mehr gab, sonst wäre ich verzweifelt.

Aber was in diesem Gebiet kurios anmutet, ist in unserer Gegend kaum weniger verwirrend. Denn gerade das neue Pfarramt An der Fuhse liegt sowohl in Groß Lafferde als auch in Lengede an der Grenze zur Landeskirche Braunschweig. Und die haben dann auch noch völlig andere Bezeichnungen als wir in Hannover. Kleines Beispiel gefällig?
Wenn Pastorin Femke Beckert die paar Schritte über die Bahngleise nach Broistedt geht, so verlässt sie dabei den Kirchenkreis Peine und betritt die Propstei Lebenstedt. Und dort trifft sie, wenn sie will, auf ihren Kollegen Pfarrer Claus-Dieter Sonnenberg.

Ach ja, die ewig gestellte Frage: Was ist der Unterschied zwischen Pfarrern und Pastoren? Und welches Amt ist bedeutender? Wie oft habe ich darauf antworten müssen. Und manche haben sich die Frage gleich selbst beantwortet: Na ja, Pfarrer sind die Katholischen und Pastoren die Evangelischen. Nein, so einfach ist es eben nicht. Zum einen gibt es auch bei den Katholiken Pastoren und zum anderen nennen die meisten evangelischen Landeskirchen ihre Geistlichen Pfarrer*innen. Es gibt da ein deutliches Nord-Süd-Gefälle.Doch was ist denn nun der Unterschied?

Während Pfarrer*in eher den Dienst als Leiter*in eines Pfarramtes aufgreift, nimmt Pastor*in mehr die Berufung in den Blick, nämlich im Sinne Jesu als Hirt*in für die Menschen dazusein.

„Wenn du mich als Pfarrer brauchst, so bin ich für dich da, aber komm bitte montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr. Brauchst du mich aber als Pastor, so kannst du immer kommen, von montags bis sonntags, jeden Tag rund um die Uhr.“

Auch in der ersten Leitungsebene gibt es in Deutschland die unterschiedlichsten Bezeichnungen. Fuhr Superintendentin Christa Gerts-Isermeyer auf eine Tasse Kaffee zu ihrer Kollegin nach Vechelde, so traf sie in der dortigen Propstei auf Pröpstin Pia Dittmann-Saxel. Interessanterweise gibt es auch in der hannoverschen Landeskirche einige Probsteien, deren Superintent*innen sich sozusagen als Ehrentitel Probst oder Pröbstin nennen. Weitere Begriffe für den Kirchenkreis in Deutschland sind Prälatur mit Prälat*innen an der Spitze, Dekanate mit Dekan*innen, Kirchenbezirke, Ephorien und Klassen.Und selbst für die Leitungsgremien auf Gemeindeebene haben sich verschiedene Begriffe herausgebildet. Da gibt es Kirchenvorstände, Kirchenräte, Kirchengemeinderäte oder Presbyterien.

Kommen wir zum Schluss zu den leitenden Geistlichen in den 20 Landeskirchen: Da tummelt sich ein Bischof neben einer Landesbischöfin, ein Kirchenpräsident neben einer Landessuperintendentin, der Präsident des Kirchenausschusses neben einer Präses. Ratsvorsitzende der EKD, also die oberste Repräsentantin der deutschen Protestant*innen ist derzeit die Präses der westfälischen Kirche Annette Kurschus. Was mir indes aufgefallen ist: Wenn im Fernsehen über die Gottesdienste zu den hohen Feiertagen berichtet wird, so stehen bisher neben Kardinal Marx, dem Leiter der katholischen Bischofskonferenz die Gottesdienste des bayrischen Landesbischofs Bedford-Strohm im Mittelpunkt. Offenbar können die Fernsehleute wenig mit dem Amt der Präses anfangen und berichten lieber über zwei Bischöfe. Und dabei stellt sich für mich das Ämterwirrwarr als ernsthaftes Problem für die evangelische Kirche dar. Und auch, dass jede Landeskirche ihr eigenes Süppchen kocht, kann heute nicht mehr zeitgemäß sein. 

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