Was ist eigentlich aus Pastor i. R. Norbert Paul geworden…

Ein Interview aus November 2022

Diese Frage beschäftigt viele Menschen, vor allem aus Gadenstedt und Ölsburg, aber auch in vielen anderen Gemeinden der Region. Dazu hat er jetzt mit unserer Redakteurin Ursula Kalkreuth gesprochen, die ihn auch oft selbst zu Wort kommen lässt. 

„Gadenstedt war meine zweite Stelle nach Sachsenhagen und ich wurde im Juni 1985 dort von Superintendent Wolfgang Rehse eingeführt. Somit habe ich mehr als 36 Jahre in Gadenstedt gelebt und gewirkt“, so der Geistliche. In seine Amtszeit fiel die Zusammenlegung der beiden Kirchenkreise Ölsburg und Peine und die Regionalisierung zunächst in Lahstedt, dann in der Region Südost des Kirchenkreises Peine mit derzeit zwölf Gemeinden aus Ilsede, Lengede und Peine. „Das waren schon gewaltige Umbrüche“, so Paul.

In Gadenstedt lag ihm vor allem die Jugendarbeit am Herzen. Bereits im ersten Jahr gründete er Pfadfindergruppen im Rahmen des VCP (Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder), eine Jugendgruppe, einen Gemeindejugendkonvent und später einen offenen Jugendtreff. Stolz ist er darauf, dass es den VCP auch heute noch in Gadenstedt gibt, der sich weiterhin mit seinen Angeboten an Kinder und Jugendliche richtet. Mit den Pfadis organsierte er mehrere Pfingstlager, u.a. ein Wiedervereinigungspfingstlager nach Ilfeld (Thüringen) 1990, sowie mehrere Sommerlager und Wanderfahrten, etwa nach Clausthal, Rodewald und zu den Bundeslagern in Ruhpolding und in der Nähe von Trier. Für das Bundeslager auf dem Ferschweiler Plateau unter dem Motto „Grenzen-los“ komponierte er für die von ihm gegründete Kirchenband „Ichthys“ das gleichnamige Bundeslagerlied, das die Band auf der Pfadfinderburg Rieneck vorstellte. Dazu kam eine Rucksacktour nach Schottland und zwei Fahrten nach Irland. Für Erwachsene organisierte Norbert Paul drei Seniorenfahrten in den Bayrischen Wald und nach Südtirol sowie vier Studienfahrten nach Cesenatico und in die Toskana in Italien und nach Danzig und Masuren und Schlesien in Polen.

Sein zweites großes Interesse galt der Kirchenmusik. Bereits 1985 gründete er den Posaunenchor, den er später auch mehrere Jahre leitete. Dazu kam die Neugründung eines Kirchenchores, dem er von der ersten Chorprobe an über Jahrzehnte als Basssänger zur Verfügung stand. Hinzu kamen die mehrfache Neugründung der Flötengruppe und die Gitarrengruppe, die erstmals 1989 zur Gründung der Kirchenband „Ichthys“ führte und eine neue Gitarrengruppe, die von Diakon Lutz Frerichs angeleitet wurde und danach von Pastor Paul weitergeführt wurde.

Schwierig war allerdings die Arbeit mit Erwachsenen. Hier scheiterten viele Angebote, wie Bibel- oder Gesprächskreise, die Norbert Paul anbot. Aber es gab ja schon vorher Erwachsenengruppen, wie etwa den Gemeindebeirat. Im Laufe der Zeit hat sich der Gemeindebeirat unter der umsichtigen und engagierten Leitung von Sieglinde Steckel von einem Festkomitee zu einer Gruppe entwickelt, die sich auch mit theologischen und gesellschaftlichen Fragen auseinandersetzte, die letztlich zu sehr eindrücklichen Frauengottesdiensten und wunderschön gestalteten Gottesdiensten im Rahmen des Weltgebetstages der Frauen führte.

Außerdem regte Paul die Gestaltung eines „Lebendigen Advents“ an, der vom Gemeindebeirat in hervorragender Weise aufgegriffen und seit vielen Jahren umgesetzt wird. Neu hinzugekommen ist die Einladung zu einem Geburtstagskaffee, die der Ruheständler aus Ölsburg übernommen hatte und dem Gemeindebeirat zur Nachahmung empfahl. Daneben gab es (und gibt es bis heute) die Bezirksfrauen (heute auch Männer), die für die Verteilung des Monatsgrußes, früher etlichen Sammlungen und natürlich seelsorgerlichen Tipps an das Pfarramt aus den Bezirken verantwortlich waren.

Einmal im Jahr kamen zu seiner Zeit die gegenwärtigen und ehemaligen Bezirksfrauen und –männer zu einem Treffen zusammen. Die Sprecherin der Bezirksfrauen ist nach Anna Heinemann und Margot Kraft derzeit Ute Lehnguth. Erfolgreich waren darüber hinaus zwei Meditationsangebote. „Glauben aus der Stille“ bot Paul bereits zu Anfang seiner Amtszeit im damals noch alten „Konfirmandenraum“ an. Mehr als ein Dutzend Interessierte beteiligten sich.

Noch schöner war das Angebot von Elli Wolf aus Bad Salzdetfurth im Rahmen ihrer „Meditativen Kunst- und Atemtherapie“. Neben etwa einem Dutzend Teilnehmer*innen nahm auch Pastor Paul an diesem Angebot zur Ruhe und Selbsterkenntnis teil. Ein großer Erfolg war auch der Zürcher Bibelkurs. In zwei Winterhalbjahren ging es durch die gesamte Bibel. Etwa 15 Teilnehmer*innen hielten bei diesem Angebot durch, das mit einer gemeinsamen Israelfahrt endete. Hier überließ Pastor Paul Pastor Rump den Vortritt, der mit seiner Gemeinde in Adenstedt ebenfalls einen Bibelkurs absolvierte.

Von Siegrid Hotopp hatte Paul 1985 den Frauenkreis übernommen, den er viele Jahre leitete. Als sich dann Marianne Berking als Leiterin anbot, nahm Paul dieses Angebot sehr gerne an. Über Jahrzehnte gestaltete Marianne den Frauenkreis, organisierte etliche Tagesfahrten, an dem der Pastor oft und gerne teilnahm, bis der Frauenkreis wegen Teilnehmerinnenmangel im Rahmen eines Essens bei Hans-Jürgen Konrad leider eingestellt werden musste. 

Inzwischen gibt es einen neuen Seniorenkreis, initiiert von Sabine Mandel, Monika Klingenberg und Sabine Peist. „Dafür bin ich sehr dankbar“, so der Ruheständler. „Die Senioritas (m/w/d) fühlen sich da sichtbar wohl“.

Ein großer Glücksfall war die Tatsache, dass die EKD anlässlich der Fußball-WM in Deutschland 2006 die Übertragungsrechte für ein Public Viewing zur Verfügung stellte.

Daraus gründete sich ein Männerkochteam aus gut einem halben Dutzend Männern, die bis heute in unterschiedlicher und vergrößerter Besetzung bei vielfältigen Veranstaltungen mit ihrer Bewirtung für ein gelungenes Ambiente sorgen. 2011 regte Pastor Paul die Gründung eines Fördervereins an, der dann 2012 als eingetragener Verein Realität wurde.

Rund 85.000 Euro hat der Förderverein inzwischen aufgebracht, um die verschiedensten Wünsche der Kirchengemeinde, die nicht aus dem Haushalt finanziert werden konnten, umzusetzen. Erst unter der Leitung von Willi Böckem und jetzt Sabine Mandel wurden zudem viele Aktionen durchgeführt, wie Konzerte (oft mit Unterstützung von Jutta Reuting), aber auch Spieleabende, Kino in der Kirche oder Flohmarktstände.

Auch für die beiden Kirchenkreise Ölsburg und Peine war Norbert Paul sehr aktiv. Für beide Kirchenkreise war er Öffentlichkeitsbeauftragter. Für Ölsburg Vorsitzender und stellv. Vorsitzender des Kirchenkreistages. Und vor allem mit ganzem Herzen Kirchenkreisjugendpastor von 1990 bis 2000.

Mit Kindern war er zweimal in Dänemark unterwegs, mit Jugendlichen zweimal in Prag und Ungarn, in Waren und auf Rügen in Mecklenburg-Vorpommern, dazu in Cornwall, Wales und Irland. „Dies war eine sehr erfüllte Zeit für mich“, so Pastor Paul. Hinzu kamen über 60 Konfimandenfreizeiten, oft in Selbstverpflegungshäusern wie Katensen bei Uetze, Groß Lobke oder Bad Lauterberg.

Ab 2006 war Paul 1. und 2. stellv. Superintendent für Superintendentin Christa Gerts-Isermeyer bis zur Wahl und Einführung von Nachfolger Dr. Volker Menke. „Durch dieses Amt kamen zahlreiche Repräsentationsaufgaben, die Teilnahme am Kirchenkreisvorstand und in der Planungsgruppe des Kirchenkreises sowie die Vorbereitungsgruppe der Kirchenkreiskonferenz hinzu.

Außerdem nahm er in der Vakanzzeit an Ephoren- (Superintendenten*innen) konferenzen teil. „Die Arbeitsbelastung ist mir eindeutig zu viel geworden, so dass ich mich 2013, nach Ausscheiden von Gerts-Isermeyer, entschlossen habe, mich aus den zahlreichen Aktivitäten weitgehend zurückzuziehen“, so der Ruheständler.

„Ab 2011 übernahm ich die Kirchengemeinde Ölsburg, die zuvor nach schwierigen Jahren schwer gebeutelt war. Ich gründete nach Vorgabe des Kirchenkreises ein gemeinsames Pfarramt Gadenstedt-Ölsburg und regte die Gründung eines Kirchengemeindeverbandes an. Das war insbesondere für Ölsburg ein ungemein schwieriger und angsteinflößender Prozess.“

Aber inzwischen war 2013 Pastor Dominik C. Rohrlack von der Landeskirche in das gemeinsame Pfarramt entsandt worden. Er legte seine Präferenz auf Ölsburg, so dass beide Gemeinden zufrieden waren. Pastor Paul war fortan vor allem in mehrjährigen Vakanzen tätig, wie schon zuvor in Münstedt, Oberg, Lengede, Klein Lafferde und Klein Ilsede und danach in Woltorf und Schmedenstedt sowie knapp drei Jahre in Dungelbeck, wo er auch während der Coronazeit fast jeden Sonntag Gottesdienste abhielt.

Extrem viele Bauprojekte fielen in Pauls Amtszeit. Bereits 1989 wurde das Gemeindehaus renoviert und angebaut. Erst vor nicht allzu langer Zeit wurde das Gemeindehaus erneut renoviert. Der Jugendraum wurde mehrfach umgestaltet. Dabei war Norbert Paul auch ganz praktisch vielfältig beteiligt. „Eine Renovierung habe ich quasi mit Vikar Matthias Schreier alleine durchgeführt“, so Pastor Paul. Danach kamen der Um- und Anbau des Kindergartens sowie der Neubau der Kinderkrippe mit der daraus resultierenden Verlegung des deutlich verkleinerten Ehrenmales des Dorfes Gadenstedt an die Nordseite der Kirche.

Im Jahre 2000 wurde die Kirche renoviert und erhielt eine neue Heizungsanlage. „An dieser Stelle möchte ich mit einem Missverständnis aufräumen“, so Paul. „Zwar wurde in diesem Jahr das 600-jährige (+2) Kirchenjubiläum gefeiert. Aber die Kirche ist in ihrem Grundbestand eine romanische Kirche, d.h. rund 250 Jahre älter als die für die Gothisierung verantwortliche Jahreszahl 1420 an einem Südostpfeiler der Kirche. Umfangreiche Teile der Kirche, wie z.B. der Kirchturm und Mauern sowohl an der Süd- wie auch an der Nordseite der Kirche stammen bereits aus dem 12. Jahrhundert!“

Die Renovierung der Kirche war die Voraussetzung für die Restaurierung der Barockorgel von Otto Eilhard Batienter, der Hoforgelbaumeister in Wolfenbüttel war und unsere Orgel 1683 schuf, in den Jahren 2003/2004 von der Firma Gebr. Hillebrandt in Altwarmbüchen. Nach einigen Auseinandersetzungen gelang die Beibehaltung der Stimmung der Orgel (die nicht mehr original der Barockzeit entspricht, aber das Zusammenspiel mit anderen Instrumenten ermöglicht) sowie des Pedals (nicht original von 1683) und das bei den Gadenstedtern Gemeindegliedern so beliebte „Vogelgeschrey“, das erst im 19. Jahrhundert hinzugefügt wurde.

Große Anstrengungen waren nötig, um neue Glocken zu beschaffen. Die beiden Kriegsersatzgüsse aus dem Jahr 1920 waren am Rande ihrer Einsatzmöglichkeiten, so dass ein neugegründeter Glockenausschuss unter dem Vorsitz von Alexandra Effe von der Anschaffung drei neuer Bronzeglocken träumte. Das war ein kühnes und gleichzeitig auf Gott vertrauendes Projekt, da es für neue Glocken kaum Zuschüsse gibt, aber es gelang innerhalb kürzester Zeit.

Fünf Jahre waren für das Projekt veranschlagt, aber bereits nach gut zwei Jahren war die Finanzierung des Glockengusses in Höhe von gut 120.000 Euro gesichert. So wurden die drei neuen Glocken 2010 von der Glockenfirma Bachert in Karlsruhe gegossen. Zu diesem Guss war ein ganzer Bus Gadenstedter Gemeindeglieder angereist.

Auch bei der Ankunft der Glocken, dem Aufhängen im Kirchturm sowie der Glockenweihe 2010 durch P. Paul, Pn. Schmager und P. Kindler waren sehr viele Gemeindeglieder dabei.

Als Ausbilder begleitete P. Paul insgesamt fünf junge Menschen auf ihrem Weg zum Pastor bzw. zum/zur Diakon*in. Der erste Vikar war Gunter Schendel, mit dem es bis heute Kontakte gibt. Danach kamen Matthias Schreier und Andreas Wehen. Als Berufspraktikant*in begleitete Paul Erika Bartels und Kai Mossel auf ihrem Weg zum*r Diakon*in. Dazu kamen zahlreiche Schul- und Hochschulpraktikant*innen.

Ursula Kalkreuth: „Vielen Dank, Norbert. Nun hast Du uns mitgenommen durch Deine lange Amtszeit in Gadenstedt und Ölsburg.“ Jetzt bist Du seit dem 1. Januar im Ruhestand. Wie ist es Dir damit ergangen?“

Norbert Paul: „Zunächst, liebe Ursula, vielen Dank für dieses Gespräch und Deine Nachfragen. Bei mir im Kopf spielte sich bei zahlreichen Themen sozusagen ein Kino ab, das Bilder aus 36 Jahren projizierte. Der Übergang in den Ruhestand war leider ziemlich holprig. Schon seit Ende letzten Jahres war ich (und bin es nach wie vor) gesundheitlich schwer angeschlagen. Erst seit etwa Ostern ging es Schritt für Schritt wieder aufwärts. Dabei halfen mir in besonderer Weise Monika Klingenberg, Christina Harenberg und Sabine Mandel. Bei denen möchte ich mich sehr bedanken! Es ist wohltuend und beruhigend, wenn einem Menschen in Not anderen in vielfältiger Weise zur Seite stehen. Das ist auch gelebtes Christentum mit Liebe zum Nächsten! Außerdem bedanke ich mich bei Ingrid Rüscher für ihr stets liebevolles und der jeweiligen Stimmung angepasste Orgelspiel, das mich oft gerührt hat. Sie kennt alle meine Lieblingslieder!  

Bedanken möchte ich mich zudem bei meinen in all der Zeit „nur“ drei Pfarrsekretärinnen, die von Karteikartenverwaltung über Steno-diktierte Briefe bis hin zu einer elektronischen Gemeindegliederverwaltung alle Phasen unserer modernen Zeit repräsentieren. Was aber viel wichtiger ist, dass Edith Timpe, Ursula Veit und Roswitha Lauenstein mit meiner stets an den Tag gelegten Chaotik umzugehen wussten. Und Dank den mehreren Hundert ehrenamtlich tätigen Mitarbeiter*innen, ohne die unsere Gemeinde nicht zu dem werden konnte, was sie heute immer noch ausmacht, nämlich eine Gemeinschaft von Christ*innen, die diese Gemeinschaft auch leben.“

Ursula Kalkreuth: „Und wie geht es nun weiter?“

Norbert Paul: „Die Pandemie hat in den letzten zwei Jahren viele Angebote unmöglich gemacht. So kommt jetzt eine Zeit des Wiederaufbaus. Schwierig machen allerdings die Probleme des Pastor*innenmangels sowie der stark zurückgehenden Gemeindegliederzahlen. Vielfältige notwendige Umgestaltungen werden die Folge sein. Eigentlich bin ich froh, dass ich dafür keine Verantwortung mehr trage, aber ich beobachte die Zukunft unserer Gemeinden und unserer Kirche natürlich mit Sorge.

Und so wünsche ich meinem ehemaligen Mitstreiter und jetzigem Nachfolger Pastor Dominik C. Rohrlack ein gutes Händchen und vor allem Gottes Segen für die anstehenden Aufgaben. Und allen Gadenstedter*innen und Ölsburger*innen wünsche ich alles Liebe und verbinde es mit der Hoffnung, dass Ihr mich nicht so schnell vergesst!“

Ursula Kalkreuth: „Kann man Dich irgendwie erreichen?“

Norbert Paul: „Selbstverständlich. […] per Mail bin ich nach wie vor zu erreichen […]. Wer mir mit einer Rückrufbitte mit der eigenen Telefonnummer schreibt, bekommt natürlich einen Rückruf mit meiner Telefonnummer, mit der ich dann auch über WhatsApp erreichbar bin. Und in all den Umbrüchen meines Lebens bot stets ein Psalmwort Halt und eine Perspektive in mancherlei Unsicherheiten der Zukunft. „Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohl machen.“ (Psalm 37, 5)

Ursula Kalkreuth: „Ich danke Dir für unser Gespräch und wünsche Dir alles Liebe und Gottes reichen Segen.“

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